Weitere Informationen zur Einigungsstelle

Was ist die Einigungsstelle?  

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat in den §§ 76, 76 a einen betrieblichen Konfliktlösungsmechanismus vorgesehen – die Einigungsstelle. „Zur Beilegung von Meinungs-verschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzern-betriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden" (§ 76 Abs. 1 BetrVG). Die Einigungsstelle ist eine innerbetriebliche Konfliktlösungs-möglichkeit. Vertreter und Vertreterinnen des Arbeitgebers und des Betriebsrates sind daran beteiligt. Die Einigungsstelle wird durch eine unparteiische Vorsitzende oder einen Vorsitzenden (§ 76 Abs. 2 BetrVG) geleitet.

  

Warum soll die Einigungsstelle gebildet werden? Damit es weiter geht!

Die Einigungsstelle wird auf Antrag einer Betriebspartei (Arbeitgeber oder Betriebsrat) gebildet. Wenn das Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht des Betriebs-rates vorsieht und der Betriebsrat nicht zustimmt, darf der Arbeitgeber die beantragte Maßnahme nicht umsetzen. Der Arbeitgeber hat jetzt zwei Möglichkeiten: er kann die Einigungsstelle „anrufen“. Er muss es aber nicht. Der Arbeitgeber kann auch auf die Durchführung der beantragten Maßnahme verzichten.

 

Eine Zustimmungsersetzung durch das Arbeitsgericht ist nicht möglich. Denn das Betriebsverfassungsgesetz sieht zur Konfliktlösung ausschließlich die Einigungsstelle vor. Am Ende der Einigungsstelle steht eine Entscheidung über die strittige Maßnahme, die dann vom Arbeitgeber umgesetzt werden kann.

  

Die Vorteile der Einigungsstelle

  • In Mitbestimmungsangelegenheiten darf der Arbeitgeber die Maßnahme nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrates umsetzen. Stimmt der Betriebsrat nicht zu, muss also verhandelt werden. Die Zustimmung kann nicht durch ein Gerichtsurteil ersetzt werden. Um den Konflikt zu lösen, sieht das Gesetz die Einigungsstelle vor. Daher ist die Einigungsstelle die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, den Konflikt zu lösen. 
  • Im Unterschied zu Gerichtsverfahren kann die Einigungsstelle deutlich schneller zu einer Lösung in der strittigen Angelegenheit kommen. Denn auf die Terminierung von Gerichtsverfahren muss z.T. sehr lange gewartet werden.
  • Gerichtsverfahren sind öffentlich, die Einigungsstelle nicht. Hier kann Vertraulichkeit gewahrt bleiben.
  • Gesichtswahrung ist möglich! In der Einigungsstelle muss es keine Gewinner und Verlierer geben.
  • Es besteht die Chance, eine für den Betrieb passende Lösung zu finden, damit der Konflikt wirklich beendet werden kann.
  • Die Einigungsstellenvorsitzende ist unparteiisch. Er bzw. sie kann andere, unbefangene Fragen stellen und so den Klärungsprozess ganz anders strukturieren.

 

Erzwingbare Einigungsstelle

In den Fällen, in denen ein Mitbestimmungsrecht vorliegt, spricht man von einer „erzwingbaren Einigungsstelle“. § 87 Abs. 2 BetrVG regelt das beispielsweise wie folgt: „Kommt eine Einigung über die Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat“.

  

Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, die in § 87 Abs.1 BetrVG geregelt sind, stellen die meisten Fälle der erzwingbaren Einigungsstelle dar. Beispielsweise wenn es um Regelungen zum Beginn oder dem Ende der Arbeitszeit geht oder um Regelungen bezogen auf Überstunden oder die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung.

  

Es gibt noch weitere Fälle, in denen das Betriebsverfassungsgesetz die erzwingbare Einigungsstelle vorsieht.

 

Hier ein Überblick über erzwingbare Einigungsstellen

 § 37 Abs. 6 Schulung der Betriebsratsmitglieder auf Antrag des Arbeitgebers

 § 38 Abs. 2 Freistellung, auf Antrag des Arbeitgebers

 § 39 Abs. 1 Sprechstunden

 § 47 Abs. 6 Mitgliederzahl des Gesamtbetriebsrates

 § 55 Abs. 4 Mitgliederzahl des Konzernbetriebsrates

 § 65 Abs. 1 Schulung der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV)

 § 69 Sprechstunden JAV

 § 72 Abs. 6 Mitgliederzahl der Gesamt JAV

 § 85 Abs. 2 Mitarbeiterbeschwerde, nur auf Antrag des Betriebsrates

 § 87 Abs. 2 Soziale Mitbestimmungsangelegenheiten

 § 91 Ausgleich bei Änderungen der Arbeitsumgebung / der Arbeitsabläufe

 § 94 Abs. 1 und 2 Personalfragebogen

 § 95 Abs. 1 und 2 Auswahlrichtlinien

 § 97 Abs. 2 Einführung von Maßnahmen betrieblicher Berufsbildung bei Tätigkeits- und Anforderungsänderungen

 § 98 Abs. 4 Betriebliche Bildungsmaßnahmen

 § 102 Abs. 6 Erweiterte Kündigungsmitbestimmung

 § 109 Auskunft an Wirtschaftsausschuss

 § 112 Sozialplanaufstellung.

  

Die Einigungsstelle wird zur Klärung einer konkreten strittigen Angelegenheit gebildet. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen es sinnvoll ist, eine ständige Einigungsstelle zu bilden. Zum Beispiel bei einer Betriebsvereinbarung über die Grundsätze der Dienstplanung, wenn es oft Streit um die einzelnen Dienstpläne gibt. Die personelle Besetzung (Vorsitz und Anzahl der Beisitzer) wird in diesem Fall für einen längeren Zeitraum vereinbart. Voraussetzung für die ständige Einigungsstelle ist nach § 76 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, dass die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung darüber abschließen.

 

Freiwillige Einigungsstelle

Die Betriebsparteien können eine freiwillige Einigungsstelle bilden, wenn beide die Einigungsstelle beantragen. Es geht dann um Angelegenheiten, bei denen das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht gewährt. Die Parteien können dann die Moderation und Vermittlung der Einigungsstellenvorsitzenden zur Lösung eines Konfliktes nutzen.

   

Wie wird die Einigungsstelle gebildet?

Das Gesetz spricht davon, dass die Einigungsstelle gebildet wird. Vielfach wird umgangssprachlich auch davon gesprochen, die Einigungsstelle „anzurufen“ oder in die Einigungsstelle zu gehen. Es ist immer das gleiche gemeint.

  

Der Arbeitgeber will eine Maßnahme durchführen, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz „mitbestimmungspflichtig“ ist. Regelmäßig haben dann Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat stattgefunden. Eine Einigung kam nicht zustande. Dann kann entweder der Arbeitgeber oder der Betriebsrat feststellen, dass die Verhandlungen gescheitert sind und die Einigungsstelle gebildet werden soll.

 

Das kann bei einem Betriebsratsbeschluss beispielsweise wie folgt aussehen: 

  • (genaue Beschreibung der Angelegenheit für die das Einigungsstellenverfahren eingeleitet werden soll) Beispiel: „Beginn und Ende der Arbeitszeit, Betriebsvereinbarungsentwurf Schichtplan“.
  • Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 24.04.2020 festgestellt, dass die Verhandlungen gescheitert sind.
  • Als Einigungsstellenvorsitzende wird Frau Rechtsanwältin Klug vorgeschlagen. 
  • Es sollen pro Seite je drei Beisitzer festgelegt werden. Für den Betriebsrat werden als Beisitzer Frau Mayer, Frau Müller und der Rechtsanwalt Schulz benannt."

Der Betriebsrat bzw. der Arbeitgeber klären vor dem offiziellen Schriftwechsel mit dem möglichen Einigungsstellenvorsitzenden, ob dort die Bereitschaft zur Übernahme dieser Einigungsstelle besteht und Kapazitäten vorhanden sind.

  

Vorsitz der Einigungsstelle

Der nächste Schritt ist, dass sich die Betriebsparteien auf den Vorsitzenden der Einigungsstelle einigen müssen. Das regelt § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Wenn der Arbeitgeber, in unserem Beispiel Frau Rechtsanwältin Klug, ablehnt, kann er einen anderen Vorschlag machen. Dann kann über die Person des Vorsitzenden verhandelt werden. 

Eine bewährte Praxis ist es, wenn drei bis fünf unterschiedliche Vorsitzende vorgeschlagen werden. Die andere Betriebspartei kann sich dann davon eine Person aussuchen. Manche Unternehmen haben auch eine gemeinsame Namensliste mit möglichen Vorsitzenden. Es wird dann immer die nächste Person gewählt. Natürlich müssen alle Vorgeschlagenen unparteiisch sein. Kommt eine Einigung nicht zustande, bestellt das Arbeitsgericht den Vorsitz auf Antrag einer Seite (§ 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, § 100 ArbGG).

  

Wer kann den Vorsitz der Einigungsstelle übernehmen?

Der oder die Vorsitzende organisiert das Verfahren, leitet die Sitzungen und hat am Ende bei der abschließenden Beschlussfassung die entscheidende Stimme. Das Gesetz verlangt daher, dass diese Person unparteiisch ist. Das bedeutet, dass sie kein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens hat.

 

Häufig werden Richter und Rechtsanwälte für diese Funktion vorgeschlagen. Kenntnisse der Arbeitswelt, Fähigkeiten ein Verfahren strukturiert zu führen, kommunikative und vermittelnde  Fähigkeiten sind von großer Bedeutung. Ziel ist es, den Betriebsparteien zu einer Einigung zu verhelfen.

  

Beisitzer

Auch über die Anzahl (nicht die Personen) der Beisitzer ist eine Einigung erforderlich. Auf beiden Seiten muss die gleiche Anzahl von Beisitzern benannt sein. Je nach Schwierigkeitsgrad der Sache halten Gerichte zwischen zwei und vier Beisitzer für erforderlich. Die Beisitzer sind weisungsfrei.

   

Wie läuft das Verfahren in der Einigungsstelle ab?

Haben sich die Betriebsparteien auf den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende geeinigt, übernimmt diese die Organisation der Einigungsstelle. Die Einigungsstelle tagt unter Leitung des bzw. der Vorsitzenden. Das bedeutet, die Sitzung wird terminiert. Vielleicht bittet der Vorsitzende auch darum, dass Unterlagen übersandt werden, damit er bzw. sie sich auf die Einigungsstelle vorbereiten kann. Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Die Betriebsparteien können aber weitere Personen, Sachverständige, Rechtsanwälte zur Beratung hinzuziehen.

  

Regelmäßig geht es in der Sitzung zunächst darum, dass alle Beisitzer ihre Sicht auf die strittige Angelegenheit darstellen.  

 

In einer zweiten Phase wird verhandelt. Die Verhandlungen können gemeinsam mit allen Beisitzern oder auch getrennt (mal mit den Beisitzern des Arbeitgebers, dann mit den Beisitzern des Betriebsrates) erfolgen, je nach dem was zur Klärung der Streitigkeit sinnvoll und förderlich erscheint.  Entscheidend ist, einen Weg zu finden, den beide Seiten „gehen können“.

  

In der letzten Phase steht die Entscheidung an. Häufig finden die Betriebsparteien eine Lösung und einigen sich. Falls dies nicht möglich ist, muss abgestimmt werden. Die erste Abstimmung erfolgt ohne Beteiligung der Vorsitzenden. Ist diese Abstimmung erfolglos geblieben (Stimmengleichheit), findet eine weitere Abstimmung statt, bei der sich der/die Vorsitzende beteiligen darf. Dadurch findet eine Mehrheitsentscheidung statt (§ 76 Abs. 3 Satz 3 BetrVG.

 

Dies ist der so genannte „Spruch der Einigungsstelle“. Dieser Beschluss ist schriftlich niederzulegen, vom Vorsitzenden zu unterschreiben und dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat zuzuleiten.

 

Wer zahlt die Einigungsstelle?

Der Arbeitgeber trägt nach § 76 a BetrVG die Kosten der Einigungsstelle. Diese bestehen hauptsächlich aus der Vergütung des Vorsitzenden und den unter Umständen beteiligten externen Rechtsanwälten. Ansonsten entstehen Kosten für Getränke und Verpflegung und vielleicht Raumkosten.